
Wir spüren den Schmerz in der Schulter, doch ausgelöst wird er im Darm? Bei einer Massage in der Wade kommen Verspannungen in der Hüfte zum Vorschein? Violeta Labella können solche für Laien eher mysteriöse Entdeckungen nicht beeindrucken. Warum? Das erklärt uns die Faszien und Yoga Spezialistin am besten selbst.
Terra Elements: Hallo Violeta! Du bist unter anderem auf die
therapeutische Arbeit mit Faszien spezialisiert. Was können wir uns unter
Faszien vorstellen?
Violeta: Faszien sind das tiefste Gewebe in unserem Körper; ein
dreidimensionales Netz, das alles im Körper zusammenhält – die Muskeln, die
Knochen, die Organe, die Haut. Es muss stark genug sein, um den Körper aufrecht
zu halten, aber gleichzeitig auch flexibel genug, um unsere Atmung, die
Beweglichkeit in Organen und Körperteilen zu ermöglichen.
Simplifiziert ist das Gewebe ein Protein-Kollagen-Mix, der
zwei Komponenten enthält: Das Protein ist das Stärkende, das Kollagen das
Erweichende, das Flexibilität Gebende. Damit unser Körper optimal funktioniert,
müssen diese beiden Komponenten im Einklang sein. Wenn der Körper zu verhärtet
ist, können wir uns nicht bewegen. Wenn er zu geschmeidig ist – was bei den
Wenigsten der Fall ist – fehlt uns die Festigkeit. Der Erwachsene Mensch ist in
der Regel relativ verhärtet.
Terra Elements: Wie kann das passieren?
Violeta: Die Faszien werden von verschiedenen Komponenten
beeinflusst. Dazu zählen die Bewegung, die Flüssigkeitszufuhr in Form von
Wasser, die Ernährung und schließlich die Balance zwischen Kräftigung und
Flexibilität. Im Klartext bedeutet das: Wenn wir Joggen gehen, ist es wichtig,
uns davor zu Stretchen und uns danach zu dehnen, sodass sich der Muskel, der
sich nun eine gewisse Zeit zusammengezogen hat, wieder strecken kann und nicht
dauerhaft verkürzt.
Terra Elements: Wie spüren wir eine verkürzte Faszie?
Violeta: Die typischen Verspannungen und Ungemütlichkeit
sind die ersten Anzeichen. Doch verkürzte Faszien können uns ganz schöne
Schmerzen bescheren und im schlimmsten Fall sogar langfristige Schäden im
Körper anrichten. Wenn das Gewebe zusammengezogen ist, haben die Organe keine
Möglichkeit, in ihrer vollen Funktionalität zu wirken, da die Kommunikation
zwischen den Organen nicht mehr stattfindet. Darüber hinaus sind die Faszien
die „Autobahnen“ für unsere Meridiane, die dann nicht mehr fließen können.
Terra Elements: Was sind Meridiane?
Violeta: Das sind unsere Energielaufbahnen; in der
chinesischen Medizin als Meridiane bezeichnet, im Ayurveda Nadis genannt. Sie
können sich diese als eine Art energetische Autobahn vorstellen, die unseren Körper
beziehungsweise unsere Körperteile mit der nötigen Energie versorgen.
Betrachten wir beispielsweise eine verstopfte Autobahn, sehen wir direkt, dass
dort kein Verkehr fließen kann. Genauso kann keine Energie durch eine
zusammengezogene Faszie fließen.
Räumen wir diese jedoch auf, das heißt besänftigen wir diese
durch Massage oder Lockerung, ist der Fluss wieder möglich. Im nächsten Schritt
müssen wir genau beobachten, was passiert: Entweder die Energie kann wieder
frei fließen, oder wir spüren direkt, dass es an einer anderen Stelle zwickt
und wissen, wo wir ansetzen müssen. Grundsätzlich geht es darum, die
Energieleitbahnen zu befreien und das Körpergewebe zu besänftigen, sodass der
Mensch beweglich bleibt. In der östlichen Medizin wird gesagt: So beweglich wie
der Körper, ist auch der Geist. Auch diese gedankliche Flexibilität gilt es
durch die Lockerung der Faszien zu erreichen.
Terra Elements: Was kann ich tun, dass meine Faszien
flexibel bleiben?
Violeta: Yoga ist sehr vorteilhaft, da sie die Faszien
ganzheitlich beeinflusst. Als Therapeutin würde ich explizit an die
Verbindungsstellen gehen, die notwendig sind, um die Verspannungen zu lockern.
Schmerzen in der Schulter müssen beispielsweise gar nicht unbedingt von der
Schulter ausgehen. Vielleicht liegt das Problem nämlich in der Verdauung. Dank
der Dreidimensionalität des Netzes können wir aber an einer Seite ziehen, das
ganze Netz bewegt sich und wir direkt an der Ursache ansetzen.
Terra Elements: Bei der regulären Massage geht es doch auch
um die Lockerung des Körpers?
Violeta: Das ist richtig. Jedoch arbeitet die reguläre
Massage an den Muskeln, der Haut und aktiviert die Durchblutung. Die Faszien
Massage geht viel tiefer. Um einen Punkt besonders intensiv zu bearbeiten, kann
ein Zug bis zu fünf Minuten dauern. Beim Faszien Yoga gibt es deshalb auch kaum
Bewegungen – es wird eher in statischen Positionen gearbeitet, die fünf bis
zehn Minuten gehalten werden. Beim Faszien Yoga würden viele sagen „wir liegen
nur herum“. Das stimmt in gewisser Weise auch. Doch während wir „herumliegen“,
arbeitet der Körper; er tut während wir nichts tun und hat deshalb eine Turbo
Entlastung. Wir tun nichts, doch er spürt.
Terra Elements: Genügt nicht auch eine Dehnungssession mit
der Faszienrolle?
Violeta: Mit einer Faszienrolle kommt man an die
Muskeloberfläche heran, sie hilft uns, uns gut zu fühlen. Doch das innere
Gewebe, die Verbindungsstellen, und Organe können damit nur schwer bis gar
nicht erreicht werden. Deshalb gibt es Spezialisten, die mehrjährige Ausbildungen
hinter sich haben in denen erlernt wird, wie das so tiefe Gewebe sicher und
effektiv, erreicht werden kann.
Die Lockerung der Faszien mit der Rolle scheint dank des
Prinzips eines minimalen Aufwands mit maximalen Effekten zwar sehr attraktiv.
Doch durch diesen Übereifer und ohne fachgerechte Anleitung verharmlosen wir
die Folgen. Um die Faszien zu erreichen, brauchen wir Zeit sowie Geduld und
müssen wissen, wie wir die Meridiane aktivieren können.
Terra Elements: Wie häufig müssen die Faszien bearbeitet
werden, dass Verspannungen gelöst werden können?
Violeta: Am besten in einer gewissen Regelmäßigkeit!
Menschen, die ihren beruflichen Alltag vorwiegend sitzend verbringen, rate ich zu
dreimal pro Woche. Sobald wir uns eine gewisse Regelmäßigkeit angewöhnt haben,
genügen häufig schon ein paar Minuten täglich, um die entsprechenden Punkte zu
identifizieren und zu bearbeiten.
Terra Elements: Was kann ich in Punkto Ernährung beachten?
Violeta: Was ich nicht oft genug betonen kann: Wasser! Es
ist so wichtig, ausreichend Wasser zu trinken, sodass der Körper gereinigt
wird. Darüber hinaus ist eine reine, natürliche Ernährung sehr wichtig. Mit
natürlicher Ernährung meine ich: Nahrungsmittel, die wir frisch kaufen und
selbst zubereiten, die wenig mit chemischen Zusätzen belastet und reich an
vitalen Stoffen sind, die saisonal und regional sind. Diese Nahrung enthält
frische Zellen und reichhaltig Nährstoffe, die dem Körper guttun. Insgesamt ist
frische, vegetarische Kost mit wenig Zucker für flexible Faszien sehr
förderlich. Die Ernährung ist sehr wichtig, um unseren Körper zu aktivieren von
allem loszulassen, was er nicht braucht.
Terra Elements: Wie können wir ihm dabei helfen und die
Körperreinigung unterstützen?
Violeta: Es gibt verschiedene Techniken, die entweder die
Körperfunktionen, die Energie oder die Körperteile ansprechen. Das ist erstens
die Atmung, beispielsweise yogische Techniken. Zweitens gibt es körperliche
Übungen, die die körperreinigenden Organe direkt ansprechen, wie die Nieren,
die Lunge oder den Dickdarm. In dritter Instanz: Maßnahmen, mit denen wir den
eigentlich sehr effektiven Selbstreinigungsmechanismus des Körpers
unterstützen. Hierzu zählen entgiftende Nahrungsmittel sowie Praktiken wie das
Ölziehen und interne sowie externe Techniken zur Darmreinigung.
Sehr förderlich zur Körperreinigung sind auch Fastenzeiten.
Das kann schon ein Tag in der Woche sein, an dem wir nur Suppen, Flüssigkeiten
oder gar keine Nahrung, sondern nur Flüssiges zu uns nehmen. Ich bin ein großer
Fan des intermediären Fastens –früh Abend zu essen und lange mit dem Frühstück
zu warten, sodass der Darm mindestens zwölf Stunden Zeit hat, sich lediglich
auf die Ausscheidung zu fokussieren. Oder wir unterstützen den Körper mit der
regelmäßigen Einnahme von Superfoods bei der Entschlackung.
Terra Elements: Hast du hierfür einen Favoriten?
Violeta: Definitiv Chlorella. In meiner tagtäglichen Routine
integriere ich die Alge immer wieder in zwei bis drei wöchentlichen Blöcken.
Ich nehme Chlorella meist als Pulver, eingerührt in Wasser zu mir. Darüber
hinaus tun mir auch geschrotete Leinsamen sehr gut.
Sollten Sie also bald einmal wieder das ein oder andere
Zwicken im Körper verspüren: Lassen Sie sich von den äußerlichen Symptomen
nicht täuschen und suchen Sie lieber in Ihrem dreidimensionalen Fasziennetz
nach der Ursache. Wie Sie dabei vorgehen können? Violeta zeigte uns im
Anschluss an das Interview sehr hilfreiche Übungen, die Sie ganz einfach zu
Hause nachmachen können.
Alles was Sie hierfür benötigen ist ein herkömmlicher
Tennisball. Nehmen Sie diesen zur Hand und gehen Sie an der besagten Stelle auf
die Suche nach dem Punkt mit der höchsten Anspannung. Nun heißt es: Zähne
zusammenbeißen, den Ball für einige Minuten zusammenpressen und ganz tief
spüren, wie der Körper reagiert. Doch Vorsicht: Der Körper fährt in den langen
Entspannungsphasen seine Funktionen tatsächlich herunter. Daher sollten Sie die
Übungen nicht gerade vor der Arbeit oder direkt vor einem stressigen Heimweg
durchführen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Mini-Faszien
Therapie!
Ihr Terra Elements Team
Bildnachweis: © Violeta Labella